Soziale Mobilität von Migranten aus China in Wien
Das Augenmerk dieser Studie liegt auf der Frage, inwiefern Migranten aus China sich in Wien weiterentwickeln und - qualifizieren – wie sie also selbst sozial mobil sein können. Darüber hinaus haben wir untersucht, wie sie umgekehrt den Einstieg Anderer inbestimmte Berufsfelder steuern oder deren Aufstieg durch Bildungsgrade anerkennen. So wie auch nicht-chinesische Kollegen zertifizieren sie Qualifikationen und entscheiden damit über (De-)Professionalisierung von Migranten sowie häufig über deren weiteren Aufenthalt in Österreich. Sie tun dies mit oder ohne formelle Funktion.
Anerkennung von Qualifikationen
In Wien fehlen öffentliche Stellen und allgemeine Ansprechpersonen, die Migranten-Qualifikationen als solche (an)erkennen und gezielt fördern würden. Vor diesem Hintergrund ist es Ziel der Studie, die Eigendynamiken und Initiativen zu dokumentieren, die bereits von sowohl chinesischen als auch österreichischen Einzel- und Schlüsselpersonen ausgehen. Sie kreieren Gelegenheitsstrukturen für soziale Mobilität chinesischer Migranten in Wien und halten diese in qualifikationsspezifischen Insiderstrukturen und -netzwerken aufrecht.
Spezifische Etablierungsprozesse
Unser Zugang war in zweierlei Hinsicht empirisch offen: 1) Ethnizität der Migranten aus China verstehen wir nicht allein im kulturellen Sinne, sondern auch differenzierter anhand (kulturneutraler) beruflicher Funktionen und Qualifikationen. Dies schließt die kulturelle sowie professionelle Positionierung der Immigranten ein. 2) Die erhobenen Praktiken und Beziehungen des sozialen Etablierens schließen sowohl Migranten aus China in Wien als auch die
hiesige nicht-chinesische Bevölkerung ein. Beschäftigungsverhältnisse zwischen beiden bestehen in verschiedenen hier üblichen regulatorischen Rahmen sowie ohne offiziell anerkannte Lizenzen zur Arbeit. Mit vielschichtigem legalem Status erfolgt so die Anerkennung von einzelnen Bildungswegen und Weiterqualifikationen.
Transnationale und lokale Netzwerke
Allgemein bestehen äußerst komplexe Konstellationen von migrantischer Staatsbürgerschaft, Aufenthaltstiteln oder (zunächst prekären) Anrechten auf sozialstaatliche Förderungen (Bauböck 2012). So verästeln sich auch am Beispiel dieser Studie die migrantischen Interaktionen; sie reichen auf der Makroebene in verschiedene Nationalstaaten hinein, reagieren auf Gelegenheitsstrukturen in der EU oder in Professionen, während ebenso vielfältig auf der Mikroebene die individuellen Biographien in transnationalen sowie lokalen Netzwerken verankert sind.
Professionelle Austauschprozesse
Anstatt uns bloß auf kleinunternehmerische Netzwerke einer
auslandschinesischen Migrationskultur zu fokussieren, untersuchten wir in hochqualifizierten und professionellen Austauschprozessen, wie Bildungsfortschritte, berufliche Tätigkeiten und Expertise von Migranten aus China z.T. formell anerkannt sowie vielfach informell ausgehandelt und gewährt werden. Migranten identifizieren wir so nicht allein mit ihrer De-Qualifikation und
Verdrängung in den „informellen Sektor“. Wir rekonstruieren, wie zugleich bestimmte Migranten zwar informell, jedoch in renommierten Studiengängen, der Forschung und Berufsfeldern tätig sind. Für ihre soziale Mobilität sind ihre ethnischen Identitäten weniger entscheidend als ihre karriererelevante Positionierung. Dies gilt umso deutlicher umgekehrt für die Fähigkeiten von Chinesen sowie von Nicht-Chinesen, die Karrieremobilität von Migranten
zu steuern.
Multiethnische Dynamiken
Der Fokus der Studie liegt auf multiethnischen Dynamiken, in denen chinesische Migranten „untereinander“ ebenso wie mit ihren hiesigen Kollegen und Kunden in steigendem Ausmaß interagieren und mit bestimmten Verwaltungsstellen und Diskursen umgehen. Wir untersuchten, wie spezifische Gelegenheitsstrukturen geschaffen werden und wie abseits
dezidierter Migrationspolitik Migranten und ihr Umfeld Ressourcen zur sozialen
generieren. Während wir dies beobachten und – entgegen fremdenfeindlicher Diskurse – rekonstruieren konnten, wie Migranten aus China Wien bereits im Kleinen konstruktiv verändern, so zeigte sich auf der anderen Seite, dass öffentliche Informationsflüsse gestört und informelle fragmentiert sind und die Orientierung nach der Ankunft in Wien noch wenig erleichtert wird.
Bildungswesen, Gesundheitswesen, chinesisch-sprachige Medien
Die Feldstudie, die wir im Rahmen dieses Projekts unternommen haben, fokussiert sich exemplarisch auf die drei Bereiche des tertiären Bildungswesens, des Gesundheitswesen sowie ergänzend auf der Untersuchung chinesisch-sprachiger Medien in Wien. Vor dem Hintergrund der rapiden Internationalisierung der Hochschulbildung und durch die Analyse der chinesisch-österreichischen Bildungsmigration soll einerseits Bildung als wichtiger Faktor für soziale Mobilität untersucht werden und andererseits soll gezeigt werden, welche Akteure und Prozesse für Bildungsmigration aus China und Etablierungsprozesse in Wien eine zentrale Rolle spielen.
Ärzte für chinesische Medizin in Wien sind häufig nicht ethnisch chinesisch. Ihren Berufsstatus in Medizin, Pflege, pharmazeutischem Handel oder der Forschung erringen sie erst nach langfristigem Aufenthalt, aber andererseits kann ihre chinesische fachliche Spezialisierung in Österreich nur bruchstückhaft eigens formal zertifiziert werden. Wir rekonstruierten vor diesem Hintergrund, wie zugleich die nicht-professionalisierten Migranten und Kleinunternehmer sowie Lehrende und Forschende ihr – andernorts anerkanntes und reguliertes
– klinisches und pharmazeutisches Know-how einsetzen und ihre Expertise für berufsergänzende Fortbildungen einbringen. Von der Medienanalyse wiederum haben wir uns einen vertiefenden Blick auf vorhandene (chinesische als auch österreichische) Schlüsselpersonen versprochen, die Informationsflüsse und
Interaktionen schaffen, mithilfe derer mobilitätsfördernde Strukturen für Chinesen in Wien gewährleistet werden.
Mit Fragen zum Forschungsbericht wenden Sie sich bitte an L.Springer@westminster.ac.uk
Department for East Asian Studies/ Sinology
Spitalgasse 2-4, 2.3
A-1090 Vienna
Telefon +43-1-4277-43841
Fax +43-1-4277-43849
T: +43-1-4277-43841